ROLF LAUER

DAS GERO-KREUZ 

(VOR 976)
II
Mit dem Bildwerk des toten Erlösers am Kreuz im Kölner Dom beginnt die Geschichte der Monumentalskulptur des Mittelalters. Das Gero-Kreuz wurde seit seiner Entstehung hoch geschätzt. Dies zeigt nicht nur die rühmende Erwähnung durch den Chronisten Thietmar, sondern auch die breite Nachfolge, die das Werk in den folgenden Jahrhunderten gefunden hat. Begründet ist dies sicherlich im erstaunlichen Naturalismus des Leidensausdruckes Christi, aber auch in der handwerklichen und künstlerischen Virtuosität des unbekannten mittelalterlichen Bildhauers.

Anregungen aus der antiken, der karolingischen und der byzantinischen Kunst sind im Gero-Kreuz verschmolzen und haben zu einer vorher unbekannten Monumentalität geführt, die für die ottonische Kunst des 10. und 11.Jahrhunderts charakteristisch ist. Zugleich deutet sich im Gero-Kreuz auch ein Wandel der Theologie an. Zum ersten Male wird Christus nicht als Sieger über den Tod am Kreuz stehend und mit weit geöffneten Augen gezeigt, sondern zusammengebrochen, vom Schmerz gezeichnet und mit geschlossenen Augen. Leiden und Tod als Bedingung der Erlösung, also die menschliche Natur Christi, prägen von nun an die künstlerische Auseinandersetzung mit der Heilsgeschichte. 

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